Kapitel 2 - Schrumpfende Träume und wachsende Zweifel (1)
- Nemesus
- 15. Juli 2024
- 5 Min. Lesezeit
Nachdem ich einige psychologische Register gezogen habe, um dich für einen Moment in die Gefühlswelt der Vergangenheit eintauchen zu lassen, möchte ich mit dir einen weiteren Sprung unternehmen. Dieses Mal in die nahe Zukunft, aus der Perspektive eines Kindes, das sich überlegt, was es alles erleben wird, wenn es einmal groß ist.
In einer solchen Zukunft, gliche die Welt einem einzigen Abenteuerspielplatz, auf dem jedes Land der Erde erreichbar und jede Kultur erlebbar wäre. Kein Tiefseegraben wäre zu tief, kein Berg zu hoch und keine Burg zu weit, um nicht mit Freunden und Spielkameraden entdeckt, erkundet und erforscht zu werden. Hier würden mehr Menschen ihrer Berufung folgen, anstatt den Erwartungen anderer zu entsprechen. Der Besuch von Schulen wäre mit mehr Freude verbunden, gelernt würde ein Leben lang und Gefühle würden freier gelebt werden.
Zurück zur Realität und den Träumen von Erwachsenen der Gegenwart – oder dem, was von ihnen übrig ist: Mitglieder einer Community mit Zukunft sollten sich bewusst sein, dass der Zugang zu ihren früheren, kindlichen Impulsen nicht nur wichtig, sondern essenziell ist. Dies bedeutet nicht, ihr Hirn auszuschalten, um mit größtmöglicher Naivität an den realen Herausforderungen der Gegenwart zu scheitern. Vielmehr bedeutet es, die Welt und ihre vermeintlichen Regeln kritisch zu hinterfragen und trotz des allgegenwärtigen Lärms auf die innere Stimme zu hören. Es bedeutet auch, sich selbst zu kultivieren und sich mitsamt seinen Interessen im Licht der aktuellen Wissenschaft zu reflektieren.
Dabei beeinflusst nicht nur die aktuell wahrgenommene Stimmung die Menschen. Wir sind in die Kultur und Epoche eingebettet, in die wir hineingeboren wurden. Solltest du den Eindruck gewinnen, dass Menschen in der Vergangenheit teilweise barbarisch behandelt wurden, so überlege für einen Moment, wie zukünftige Generationen über unsere Zeit urteilen werden. Die Wahrheit ist: Vorgeburtliche Prägungen und Erlebnisse unserer frühesten Vergangenheit hallen noch immer aktiv in uns nach und besitzen das Potenzial, uns unser ganzes Leben lang zu beeinflussen. Menschen durchlaufen in verschiedenen Lebensabschnitten Phasen erhöhter Prägungsempfindlichkeit: in der Pubertät, wenn wir uns verlieben und in Krisen.
Empathie, Lernfähigkeit und Lerngeschwindigkeit sind in diesen Zeiträumen beeindruckend hoch, jedoch, aller Neuroplastizität zum Trotz, nicht annähernd vergleichbar, mit dem Potenzial der ersten Phase erhöhter Prägungsempfindlichkeit. Diese beginnt bereits weit vor der Geburt und endet mit dem dritten Lebensjahr. Sie mündet in einer zweijährigen Entwicklungsstufe, die Neurologen als "Use it or lose it" bezeichnen. In dieser Stufe wird das Hirn für die spezifischen Aufgaben unseres Umfeldes angepasst. Ungenutzte Neuronen, also ungenutzte Nervenzellen des Hirns, sterben ab. Synapsen sind Verbindungen zwischen Nervenzellen. Nicht in Anspruch genommene oder wenig frequentierte Synapsen werden schwächer oder verschwinden ganz.
Wir haben es hier mit evolutionären Mechanismen zu tun, die sich seit Beginn der Menschheit optimieren.
Allerdings führt nicht jede neuronale Vernetzung zwingend zu Vorteilen. So kann das dauerhafte Fehlen einer Bezugsperson in der frühen Kindheit zu einer lebensbedrohlichen Inkohärenz im Gehirn führen. Um dem entgegenzuwirken, wird Kohärenz durch das Wachstum von hemmenden Verbindungen von Nervenzellen über dem eigentlichen Bindungszentrum des Gehirns hergestellt, welche lebenslang bestehen bleiben können. Das bedeutet nicht, dass Menschen mit dieser Art von neuronalen Veränderung ihr Leben lang bindungsunfähig sind. Es heißt jedoch, dass sie sich intensiver bemühen müssen, bindungsfähig zu werden.
In Umgebungen, in denen freies Gestalten und Autonomie unerwünscht sind, verlieren Kinder die Lust an Kreativität und am Erkunden der Welt.
Mit dem Erreichen des fünften Lebensjahres endet die "Use-it-or-lose-it"-Phase. Aber das heißt nicht, dass alle möglichen negativen Einflüsse, die unser Leben beeinträchtigen könnten, nun der Vergangenheit angehörten. Kognitive Verzerrungen und mentale Abkürzungen, auch Heuristiken genannt, sind Mechanismen, die uns dabei helfen, uns in der Welt zurechtzufinden. Doch je aktiver sie in unserem Denken sind, desto geringer ist unser Antrieb, die Welt um uns herum tatsächlich zu verändern. Daher sind wir keineswegs immun gegen negative Einflüsse, wie beispielsweise übertriebenen Pessimismus. Solche Tendenzen können sich auch in der Art und Weise widerspiegeln, wie wir später Sprache verwenden.
Die Frage: "Was möchtest du einmal werden?", wird von Kindern in der Regel mit der Syntax "Ich werde..." beantwortet. Wenn Erwachsene nicht mit "Ich weiß es nicht" antworten, was tief blicken lässt, wandelt sich mit zunehmendem Alter die Syntax oft von "Ich werde..." zu "Ich würde gerne, aber ich kann nicht."
Während unsere Träume schrumpfen, wachsen unsere Zweifel, sie zu erreichen. Und wenn wir als Kind in einem Umfeld aufwuchsen, das eher einen restringierten, eingeschränkten, statt einen elaborierten, ausführlichen Sprachcode verwendete, wird es uns als Erwachsene schwerer fallen, Schlussfolgerungen und Anweisungen zu begründen. – Es sei denn, wir haben aktiv an unserer sprachlichen und kognitiven Entwicklung gearbeitet.
Sprechen ist ein bewusster Prozess. Das Zentrum unserer Sprachverarbeitung liegt im Cortex, welches von den Bereichen des Hirns, die unsere Werte und Bewertungen enthalten, teilweise getrennt sind. Die Frage: "Wie geht es dir?" ist eine Aufforderung an unser Gegenüber, auf die unterbewusste Gefühlswelt zuzugreifen und diese mit adäquater Wortwahl zu beschreiben.
Die Frage nach dem Befinden kann nur als ernstgemeint verstanden werden, wenn sich der Befragte viel Zeit zum Reflektieren nimmt und der Fragende genügend Geduld aufbringt, auf eine Antwort zu warten. Das wiederum ist im Alltag kaum zu realisieren, und selbst falls es dazu käme, könnten Antworten anders gemeint sein als sie verstanden werden. Die Aussage: "Ich bin aufgeregt", könnte schließlich alles Mögliche bedeuten, von der Vorfreude auf ein bevorstehendes Ereignis bis hin zu extremer Nervosität im aktuellen Moment. Ohne den biographischen Hintergrund zu kennen, wie sich das Vokabular einer Person gebildet hat, wird es schwer, sie zu verstehen. - Wenn also die Frage nach dem Befinden bestenfalls als gut gemeinte Floskel verstanden werden kann, warum sollte ich nicht gleich mit etwas Belanglosem antworten? Etwa mit Smalltalk über das Wetter?
Ich bin Nemesus. Und falls du das Gefühl hast, dass dieses Kapitel düsterer wirkt, als der wolkenverhangene Himmel an einem verregneten Sommertag, wirst Du mit den nächsten noch mehr Spass haben. Der Abschluss dieses Essays wird dafür heller und heiterer sein. - Doch davon sind wir noch ein Stück weit entfernt. Es folgt die Zusammenfassung des zweiten Kapitels von Chat-GPT.
Zitat:
"Kapitel 2 führt den Konsumenten in die Zukunft, aus der Perspektive eines Kindes, das über seine Träume und Hoffnungen nachdenkt. Es betont die Bedeutung des Zugangs zu kindlichen Impulsen und der Fähigkeit, die Welt und ihre Regeln zu hinterfragen. Dabei wird das enorme Potential des menschlichen Gehirns in den ersten Lebensjahren hervorgehoben und erklärt, wie es durch die Umwelt und frühe Erfahrungen geprägt wird.
Es wird diskutiert, wie diese frühen Prägungen und Erlebnisse uns beeinflussen und wie sie sich in unserer Sprache und unserem Verhalten widerspiegeln. Darüber hinaus wird der Einfluss von kognitiven Verzerrungen und Heuristiken angedeutet.
Das Kapitel schließt mit der Erkenntnis, dass die nur bedingt durchlässige Barriere zwischen unserem Wertesystem und unserer Sprache Teil der menschlichen Natur ist. Dies kann dazu führen, dass wir nicht nur Schwierigkeiten haben, unsere Gefühle und Werte präzise auszudrücken, es kann uns sogar schwerfallen, selbst zu verstehen, was wir fühlen und warum wir fühlen, was wir fühlen." Zitat-Ende
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