top of page

Kapitel 4 - Die düstere Gegenwart und ein Schimmer am Horizont (2)

  • Autorenbild: Nemesus
    Nemesus
  • 15. Juli 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Die Tatsache, dass unsere Welt immer vernetzter wird, wird von vielen als negativ empfunden. Ich jedoch betrachte dies als einzigartige Chance: Systemtheoretisch betrachtet führt Diversität zu Widersprüchen und somit zu Instabilitäten. Instabilität und hohe Rückkopplungseffekte, die bei großer Vernetzungsdichte nun einmal auftreten, sind extrem hilfreich für Kreativität, oder anders formuliert, dem Hervorbringen neuer Kulturmuster, die, wenn wir es richtig anstellen, besser zur menschlichen Natur passen.


In der Vergangenheit waren uns fremde Kulturen oft fern. Kultureller Austausch beschränkte sich meist auf geographisch nahe beieinander liegende Länder. Wenn Veränderungen zu weiter entfernten Gebieten vordrangen, dauerte dies meist erheblich länger.


Mit dem Aufkommen des Internets wurde Entfernung irrelevant. Das blieb auch so, bis Regierungen, Nachrichtendienste und Konzerne künstlich eingriffen. Beispiele hierfür sind die Great Firewall of China, Online-Verlage mit ihren Paywalls, Streaming-Dienste mit Geoblocking sowie soziale Netzwerke, die ihre Inhalte für externe Suchmaschinen und nicht angemeldete Nutzer blockieren.


Die Herausforderung bei komplexen Anschauungen besteht darin, dass sie mit zunehmender Komplexität schwerer zu verstehen und zu vermitteln sind. Ist unsere Weltsicht im Vergleich zu den Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu simpel, verlieren wir die Fähigkeit, Lösungen zu finden. Komplizierte Systeme wie Flugzeuge oder Kernreaktoren lassen sich gedanklich in ihre Einzelteile zerlegen, um ihr Gesamtfunktionieren zu begreifen. Versuchst du jedoch, dies mit komplexen Systemen wie Menschen, den Mustern in sozialen Netzwerken, Kulturen allgemein, Ökosystemen oder dem Wetter zu tun, gefährdest du die Anwendbarkeit deines Modells in der Realität.


In den 11 Monaten, in denen ich zusammen mit ChatGPT an diesem Skript gearbeitet habe, das du nun entweder als Voice Over in diesem Videos in Englisch oder in Deutsch hörst oder auf meiner Webseite liest, bestand meine persönliche Herausforderung darin, nicht nur meine Lösung für das Problem, das ich sehe, mit dir zu teilen, sondern auch Resonanz in dir auszulösen. Darüber hinaus ermöglichte mir die Arbeit an diesem Skript im Kontext der heutigen Zeit, neue intuitive Einsichten zu gewinnen. Intuition kann als die Fähigkeit des Gehirns beschrieben werden, Muster in Komplexität zu erkennen, die über die aktuellen Grenzen unseres Verstandes hinausgehen.


Von Anfang an war diese Video-Reihe darauf ausgelegt, sowohl mich bei der Erstellung als auch dich beim Konsum zu überfordern. Kein Abschnitt verkörpert diese Intention mehr als der nachfolgende. Bleib dran - Mach dir klar, dass du dieses Video längst gestoppt hättest, wenn nicht zumindest ein Teil dessen, was ich sagte, in dir Resonanz gefunden hätte. Zudem kann die Erkenntnis von Mustern und das Meistern komplexer Herausforderungen zu orgasmischen Zuständen führen. Die Lösung liegt nahe. - Doch zunächst müssen wir uns etwas detaillierter mit dem Status Quo auseinandersetzen.


Mit der explosionsartigen Zunahme der Beteiligung am Web 2.0 in den letzten Jahren hat sich auch die Menge an veröffentlichten Inhalten drastisch vervielfacht. Obwohl dies theoretisch eine Bereicherung darstellt, bedeutet es in der Praxis oft das Gegenteil: Wertvolle und bedeutungsvolle Inhalte werden immer häufiger von einer Flut an trivialen und weniger relevanten Beiträgen überdeckt. Die Herausforderung liegt nicht mehr nur darin, Informationen zu finden, sondern vor allem darin, die wenigen Perlen im Ozean der Belanglosigkeit zu entdecken. Die Menschen, die uns wertvolle Ansprechpartner sein könnten, werden in der virtuellen Welt von der Datenflut verschluckt, wie es Häuserschluchten in Großstädten in unserer physischen Umgebung tun. - Im besten Fall können wir von einer Anhöhe oder einem Plateau die erleuchteten Fenster der Großstadt sehen. Aber die Menschen hinter der Fassade können wir nur noch erahnen. Und selbst wenn wir durch die virtuellen und oder physischen Straßen liefen, würden wir einander erkennen?


Der Cortex des Menschen ist so leistungsstark, dass wir Beziehungen mit 150 bis 250 Personen leben können. Aktuelle Studien zeichnen jedoch ein weitaus düstereres Bild: Drei Viertel aller Amerikaner sind mit ihrem Freundeskreis unzufrieden. In Großbritannien wurde Einsamkeit sogar zur Pandemie erklärt. Das dauerhafte Empfinden von Einsamkeit ist dabei in etwa so schädlich wie das Rauchen von 13 Zigaretten pro Tag. Zwischen 20 und 30 Jahren haben wir im Durchschnitt die meisten Bekanntschaften, etwa 25 Personen. Ab 30 Jahren verlieren wir jedoch alle fünf Jahre einen Freund. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es üblich, fünf enge Freunde zu haben. Heute sind es durchschnittlich nur noch zwei, obwohl sich die Mehrheit aller Menschen nachweislich nach tieferen Beziehungen sehnt.


Wir haben es geschafft, unser Leben stetig effizienter zu gestalten. Doch ich befürchte, auf diesem Weg haben wir nicht nur unsere jugendliche Entdeckerfreude verloren, sondern auch das Bewusstsein für Schönheit, ganz gleich ob in der Architektur, der Literatur oder in einem flexiblen Verstand. Es ist beeindruckend, dass wir vor einem halben Jahrhundert den weltweiten Flugverkehr etabliert haben, aber 90% der Menschen sind inzwischen so effizient, dass sie sich im Durchschnitt nur noch 10KM am Tag bewegen. Wozu also brauchen wir Netzwerke, die uns immer die gleichen Menschen zeigen oder Algorithmen, die auf solch „fundierten“ Kriterien basieren wie "Finde ich gut", "Finde ich nicht gut"?


Ich hatte mir die Erkundung der Welt stets als glorreiches Abenteuer vorgestellt, mit echten Expeditionen auf Kontinente und durch Weltmeere. Selbstverständlich könnten wir alle unseren Antrieb, unsere Hoffnungen und das Wissen um die drängenden Probleme unserer Zeit beiseitelegen. Wir könnten unseren Wunsch nach tieferem Sinn, intensiveren Beziehungen und geistigem Wachstum aufgeben und uns der Orientierungslosigkeit hingeben. Wir könnten uns weiter im Konsum verlieren und das Leben einfach so weiterlaufen lassen wie bisher. Doch wir alle wissen, was mit der Titanic passiert ist, oder nicht? Für mich ist ein solches Leben inakzeptabel.

 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Kein Skate - Video

Ich bin Nemesus und gerade dabei, eine Abfahrt mit meinem Skateboard zu nehmen. Skateboarding ist meditativ, vielleicht am ehesten mit...

 
 
 

Comments


bottom of page